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Die Highlights der deutschsprachigen American Football Literatur

American Football NFL - Die Liga der Superlative, von Alex von Kuczkowski

#2 Plötzlich Konkurrenz. Wie die NFL die AAFC und AFL schluckte

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs musste sich auch die NFL erst mal wieder organisieren und aufräumen. Das machte sie mit Bert Bell an der Spitze. Der Mann, der 1933 die Philadelphia Eagles in dieser Liga installierte und gemeinsam mit seinem Freund Art Rooney später auch das Überleben der Pittsburgh Steelers sicherte (siehe Kapitel #1). Die Eagles gehörten ihm längst nicht mehr und seine Anteile an den Steelers hatte er jüngst auch wieder verkauft. Am 11. Januar 1946 trat Bell als Nachfolger von Elmer Layden seinen neuen Job als NFL Commissioner an. Er verlegte die Ligazentrale von Chicago nach Philadelphia und unterschrieb zunächst einen Dreijahresvertrag mit einem Jahresgehalt in Höhe von je 20.000 Dollar. Bereits wenige Monate später wurde dieser dann sogar in einen Fünfjahreskontrakt mit je 30.000 Dollar Jahressalär umgewandelt. Die Teambesitzer vertrauten ihm. Sie sahen in Bell genau den richtigen Mann, um die NFL auf die nächste Stufe zu heben. Schließlich bewahrte er die Liga Mitte der 1930er Jahre mit seiner Idee, einen jährlichen Draft durchzuführen, vorm finanziellen Ruin. Damit unterband er, dass sich die Teams beim bis dahin gängigen Wettbieten um die besten College- Talente irgendwann gegenseitig in den Bankrott trieben. Auch während seiner Amtszeit als NFL Commissioner bis 1959 stellte Bell viele wichtige Weichen. Er machte die Ligaduelle spannender, indem er unter anderem die aktuellen Topteams regelmäßiger gegeneinander spielen ließ, und führte eine »Sudden Death«-Verlängerung ein, wenn ein Spiel nach der regulären Zeit unentschieden endete. Er verfolgte eine strikte und hart sanktionierte Anti-Glücksspiel-Politik, die es NFL- und Team-Angestellten verbot, auf den Ausgang von Spielen zu wetten. Die Schiedsrichter für alle Partien setzte er fortan selbst an und behielt die Namen so lange wie möglich für sich.

Tom Brady - Sein Spiel. Sein Leben, von Peter Dewald

Der vierte Super-Bowl-Sieg

Obwohl Brady das Team erfolgreich durch die Saison 2013 geführt hatte, war es kein leichtes Jahr für ihn gewesen. Brady wurde 40 Mal gesackt; nur 2001, in seiner ersten Saison, war er öfter zu Fall gebracht worden. Und er hatte nicht die Leistungen gezeigt, die man von ihm gewohnt war.

Nur 25 Touchdowns hatte er geworfen, mit seinem Passer Rating war er siebzehnter in der Liga, mit der Completion Percentage nur einundzwanzigster – so niedrige Werte hatte er nur am Anfang seiner Karriere gehabt. Zum Beginn der Saison 2014 war Brady 37. Konnte er noch mit den Top-Quarterbacks mithalten?

Im College-Draft zogen die Patriots in der zweiten Runde Jimmy Garoppolo, einen talentierten, hoch bewerteten Quarterback. „Wir alle wissen, wie alt Tom ist“, sagte Belichick nach dem Draft. „So wie wir auf der Quarterback-Position aufgestellt sind, ist uns klar, dass wir für die Zukunft vorsorgen müssen.“ Belichick hatte ein feines Gespür, wusste, dass man in der schnelllebigen NFL die Mannschaft permanent umbauen muss, um dauerhaft zu den Topteams zu gehören. Irgendwie gelang Belichick immer die Quadratur des Kreises: Das aktuelle Team war immer schlagkräftig und zugleich die Franchise meist gut gerüstet für die nahe Zukunft. Das ging nur, weil Belichick keine Sentimentalitäten gelten ließ, für ihn war jeder Spieler ersetzbar. Vergangene Erfolge und Verdienste zählten für ihn nicht, wenn er vorhatte, Spieler auszutauschen.

Was zählte im System Belichick, war nur das stimmige Gefüge. Brady hatte in den 14 Jahren oft erlebt, wie der Head Coach ohne Pardon die ersten Leistungsträger und Führungsspieler austauschte, wenn es dem größeren Plan dienlich war. Ob Lawyer Milloy oder Randy Moss, ob Wes Welker oder Ty Law, alle waren ersetzbar, jeden konnte es treffen, keiner konnte sich sicher sein. Keiner, außer Brady. Nur er war gesetzt gewesen all die Jahre. Jetzt spürte Brady, auch er war in die Schusslinie geraten.

American Football - Die größten Legenden, von Adrian Franke

Brett Favre: DER UNFALL

Die Favre-Brüder Brett und Scott sowie zwei Mitspieler aus Southern Miss hatten den Sommertag auf einem Boot im Golf von Mexiko verbracht. Die Männer angelten, sie genossen die Sonne. Und sie tranken Bier. Zum Abendessen waren Brett, Scott und Favres Teamkollege Keith Loescher der andere Mitspieler Toby Watts wohnte in einem Hotel an der Küste – mit den Favre-Eltern in Kiln verabredet, und so machten sie sich am späten Nachmittag auf den Heimweg.

Scott und Keith fuhren gemeinsam in einem Auto, Brett in seinem eigenen. Was genau dann passierte, lässt sich mit Sicherheit nicht sagen. Favre selbst hat über die Jahre verschiedene Varianten erzählt; das eine Mal wurde er von Scheinwerfern auf der Gegenspur geblendet, ein anderes Mal kam er nur leicht von der Straße ab und verlor so die Kontrolle über den Wagen und in einer wieder anderen Version war von losen Schotterstücken auf der Straße die Rede. Loescher, der den Unfall aus dem anderen Auto beobachtet hatte, nahm den Unfall so wahr: „Brett fuhr etwa 95 Kilometer die Stunde (umgerechnet, erlaubt waren rund 56 km/h) und ist einfach von der Straße abgekommen. Er hat zu stark korrigiert, und dann hat sein Auto sich seitlich überschlagen. An einem Telefonmast kam es zum Stehen“ (Pearlman, 2017, S. 98).

Bretts Bruder Scott zog ihn aus dem Auto und legten ihn auf den Boden. Die beiden riefen Bretts Namen. Keine Reaktion. „Ich dachte, dass er tot sein könnte“, verriet Loescher später. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe der blutende, benommene Brett erst zusammenhanglos, dann zunehmend klarer antwortete. Die Eltern waren schnell am Unfallort, da konnte Favre seine Mutter schon wieder beruhigen. Wenngleich
die Schmerzen viel größer waren, als er damals zugegeben hätte. 76 Zentimeter seines Dünndarms mussten die Ärzte Favre während der anschließenden Operation entnehmen. Eine Anklage wegen des Fahrens unter Alkoholeinfluss gab es im Süden Mississippis, in dem Footballstars mal schnell den Status eines Halbgotts haben können, für Favre nicht.

In den kommenden Wochen war Favre stattdessen das zentrale Thema, wenn es in Mississippi um Football ging. Würde er die kommende Saison spielen können? Sollte die Schule ihn nach dem schweren Unfall überhaupt spielen lassen? Am 21. August stand Favre wieder auf dem Trainingsplatz. Ohne das Trikot mit der Nummer 4 auf dem Rücken hätte man ihn vielleicht gar nicht erkannt, so schmal war er geworden; über 15 Kilo hatte er infolge des Unfalls und der Operation verloren, die Schultern waren schmaler, die Beine dünner. Aber er stand wieder auf dem Platz. Das erste Saisonspiel verpasste er zwar noch, umso legendärer sollte allerdings der 8. September 1990 werden.

Knapp 76.000 Fans waren ins Legion Field zu Birmingham, Alabama, gepilgert. Es war der Saisonauftakt für das Collegeschwergewicht Alabama mit dem neuen Head Coach Gene Stallings, und das kleine Southern Miss sollte eigentlich ein willkommener Auftaktgegner werden, um die
neue Ära einzuläuten. Nur spielte der vermeintliche Aufbaugegner da nicht mit. Alabama ging früh in Führung, Southern Mississippi blieb aber dran. Zur Halbzeit stand es lediglich 17:10 für Bama, im dritten Viertel ging Moder haushohe Underdog erstmals in Führung. Alabama glich mit einem 60-Yard Touchdown aus, worauf Favre mit seinem besten Pass des Tages antwortete: Ein 34-Yard-Wurf zu Receiver Michael Jackson, mit dem Southern Miss an Alabamas 32-Yard-Line stand. Dreieinhalb Minuten waren noch zu spielen, als Kicker Jim Taylor den entscheidenden Schuss zum 27:24 verwandelte.

Noch zweimal schaffte es Alabama in den folgenden Minuten bis in die Hälfte des Gegners, eine Interception beendete den ersten Versuch, beim zweiten Mal lief dann die Zeit ab, ehe die Hausherren in Field-Goal-Reichweite waren. „Ich wollte für dieses Spiel unbedingt zurückkommen“, sollte Favre nach der Partie sagen. Und das tat er: Keine zwei Monate nach seinem beinahe tödlichen Unfall stand er gegen Alabama auf dem Platz, warf 17 Pässe für 125 Yards. „Zwei, drei Sachen haben nicht so funktioniert, wie wir uns das erhofft hatten. Aber unsere harte Arbeit wurde heute belohnt“, fügte er hinzu.“Wir haben uns heute über Wert geschlagen. Aber wir haben ein starkes Team.“

Stallings, der als erster Bama-Coach seit Bear Bryant sein Auftaktspiel verloren hatte, zog ein ernüchterndes Fazit: „Ich habe die ganze Zeit gesagt, dass wir kein Eliteteam sind. Wir müssen jede Woche hart arbeiten und dürfen uns nicht derart viele Turnover leisten.“ Zumindest da war es schwer, ihm zu widersprechen, hatte Alabama doch vier eigene Turnover sowie über 50 weitere Yards durch Strafen kassiert. Der haushohe Favorit war undiszipliniert und überheblich in das Spiel gegangen und hatte den
Preis dafür bezahlt. Für Southern Miss war dieser komplett überraschende Sieg allerdings auch nicht der
Auftakt für eine große Saison. Die nächsten beiden Spiele verlor man gegen Georgia und Mississippi State, Favre blieb 1990 deutlich unter den Zahlen, die er 1988 und 1989 aufgelegt hatte. Acht Siege reichten am Ende dennoch für ein Bowl Game – welches Southern Mississippi gegen North Carolina State haarscharf verlor. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich der Wind um Favre zumindest in Teilen der NFL-Welt bereits gedreht. Aus dem einstigen Collegephänomen und Heisman-Trophy-Kandidaten war in den Augen der Scouts ein inkonstanter Quarterback geworden. Ein Quarterback mit einem guten Arm, keine Frage; doch die schmalere Statur im Vergleich zu den anderen Top-College-Prospects sowie ein Pre-Draft-Prozess mit Hochs und Tiefs relativierten die Begeisterung über den Arm wieder.


O.J. Simpson – SHOWMAN

O. J. Simpson hatte eine eigenartige NFL-Karriere. Über einen Zeitraum von etwa vier bis fünf Jahren war er einer der dominantesten Spieler und mit Sicherheit der beste Running Back in der NFL. Die ersten drei und die letzten drei Jahre seiner Karriere dagegen waren weitestgehend unauffällig, und bei all seinem Talent als Runner wirkte Simpson, wenn das Talent um ihn herum abfiel, mitunter austauschbar. „Unauffällig“ ist allerdings nicht das richtige Wort, um Simpsons Leben abseits des Platzes zu beschreiben – auch nicht vor 1994 und 1995.

Seine ersten Gastauftritte in TV-Serien hatte er bereits Mitte und Ende der 1970er-Jahre, genau wie einen Auftritt als Gastgeber von Saturday Night Live. Anfang der 1980er-Jahre stieg er als TV-Experte für das Monday Night Game ein. Simpson hatte sich bis dahin bereits ein Image aufgebaut, das in den 1970er- und 1980er-Jahren selten war: Ein Afroamerikaner, der fernab aller Politik, Proteste und gesellschaftlicher Unruhen ganz natürlich mit Weißen kommunizierte. Während andere Sportler seiner Zeit gegen Rassentrennung und Rassismus demonstrierten, hielt sich Simpson hier zurück.

Sein Charme vor der Kamera erledigte den Rest, sodass O. J. Simpson der erste Afroamerikaner war, der zu einem echten Werbestar gemacht wurde. Stiefel von Dingo, Sportartikel der Firma Wilson, TV-Werbung für einen Orangensaft und ein bald schon national gefeierter Sprint durch einen Flughafen für einen Werbespot der Firma Hertz: Innerhalb weniger Jahre stieg Simpson zu einem TV-Star auf, dessen Deals immer besser bezahlt wurden und dem die Marktforscher eine immer größere Reichweite attestierten. Sein Hertz-Werbespot war ein derartiger Erfolg, dass Simpson nach seinem ersten Drei-Jahres-Vertrag mit der Firma prompt einen zweiten Drei-Jahres-Vertrag erhielt. Bis zum Ende der 1980er-Jahre hatte er in über 20 Filmen mitgespielt, am bekanntesten war seine Rolle des Detectives Nordberg in Die nackte Kanone.

Aus dem Footballspieler war endgültig ein Schauspieler und landesweiter Star geworden, mit dem das Publikum unabhängig vom Geschlecht, der Hautfarbe und dem gesellschaftlichen Stand sympathisierte. Eine absolute Seltenheit zu der Zeit. Vielleicht sollte bei allem, was wir bisher über Simpsons Leben gelernt haben, gar nicht allzu sehr überraschen, dass der Showman in ihm eine Möglichkeit sah, aus der vermeintlichen Tragödie seines Lebens eine weitere Show zu machen. Im September 2007 wurde, nach einigen Rechtsstreitigkeiten inklusive eines Rückzugs des ursprünglichen Verlags, das Buch If I did it – confessions of the killer veröffentlicht. Simpson hatte das Buch gemeinsam mit Ghostwriter Pablo Fenjves geschrieben. Es ist ein in jeder Hinsicht absurdes Buch. Simpson erzählt darin, wie er den Mord durchgeführt hätte – rein hypothetisch natürlich, das wird er nicht müde zu betonen. Schon der erste Absatz lässt einen kurz erschaudern:

„Ich werde euch eine Geschichte erzählen, die ihr noch nie gehört habt, denn niemand kennt die Geschichte so wie ich. Sie findet in der Nacht des 12. Juni 1994 statt, und betrifft die Ermordung meiner Ex-Frau, Nicole Brown Simpson, sowie ihres jungen Freundes, Ronald Goldman. Ich möchte, dass ihr alles vergesst, was ihr denkt, über diese Nacht zu wissen. Denn ich kenne die Fakten besser als irgendwer sonst. Ich kenne die Protagonisten. Ich habe die Beweise gesehen. Ich habe die Theorien gehört. Und natürlich habe ich all die Geschichten gelesen: dass ich es war. Dass ich es getan habe, aber nicht mehr weiß, dass ich es getan habe. Dass ich nicht länger Wahrheit von Fiktion unterscheiden kann. Dass ich inmitten der Nacht aufwache und vor Schuldgefühlen schreie. Das ging so weit, dass ich mich selbst fragte: ‚Was, wenn ich es getan hätte?‘ Die Dinge, die ich weiß und die Dinge, die ich vermute, könnt ihr euch nicht einmal vorstellen.

Und ich werde sie mit euch teilen. Denn die Geschichte, die ihr kennt, oder die ihr glaubt zu kennen – das ist nicht die wahre Geschichte. Nicht einmal ansatzweise. Das ist eine Geschichte, die die ganze Welt
falsch verstanden hat“ (Simpson, 2007, S. 1). Die schiere Vorstellung, dass jemand Jahre nachdem er als Hauptverdächtiger im Prozess um die Ermordung seiner Ex-Frau freigesprochen wurde, ein Buch schreiben würde, in dem er erzählt, wie er es getan hätte, ist nichts anderes als absurd. Man findet darin Aussagen von Simpson wie: „Wenn ich es getan hätte, hätte ich meine guten Handschuhe angezogen. Ich hätte gedacht, dass es eine Schande ist, dass sie etwas eingegangen sind, als ich sie auf der Terrasse vergessen hatte, aber ich hätte sie trotzdem angezogen. Es waren meine Glückshandschuhe und die hätte ich gebraucht […]